Gebrauchsanweisung für Deinen Mann

Ja sagen zum Kennenlernen

„Ja“, habe ich im Standesamt gesagt. Du hast auch „Ja“ gesagt. Wenn das genügt hätte, würde ich nicht hier sitzen und schreiben. Das „Ja“ war die Zustimmung zu einem gemeinsamen...

„Ja“, habe ich im Standesamt gesagt.

Du hast auch „Ja“ gesagt.

Wenn das genügt hätte, würde ich nicht hier sitzen und schreiben. Das „Ja“ war die Zustimmung zu einem gemeinsamen Plan. Auch wenn uns vielleicht nicht bewusst war, wie dieser aussieht. Doch irgendwo im mentalen und emotionalen Hinterstübchen sitzen die Ehepartisanen. Sie sind nicht einverstanden.

Ich höre ihre Stimmen:

  • Hast du nicht versprochen, deiner Mutter immer treu zu bleiben?

  • Wolltest du wirklich deine Freiheit aufs Spiel setzen?

  • Glaubst du, dass du in 10 Jahren immer noch mit derselben Frau ins Bett gehen willst?

  • Deine Eltern sind auch nicht glücklich miteinander gewesen. Glaubst du, dir sollte es besser gehen als ihnen?

  • Wie willst du das überhaupt machen? Reicht es nicht, dass du für dich selbst verantwortlich bist?

    Es gab Zeiten, in denen sie dauerhaft geredet haben. Zur Zeit sind sie recht ruhig. Ich nutze also die Zeit, Dir mitzuteilen, dass ich Dich will.

Was heißt das, „Ich will Dich“?

Warum nicht: „Nur Du allein“?

Weil ich nicht interessiert bin an romantischen Floskeln. Romantik ist für Jugendliche. Ich bin zu alt dafür. Ich habe nichts gegen Kerzen und manchmal schenke ich Dir sogar Blumen (wenn Du mich daran erinnert hast, dass Du gerne mal wieder Blumen geschenkt bekommen möchtest – solche Hinweise sind sehr hilfreich. Danke!) Aber bleib mir weg mit diesem schmachtenden Gefühl, das ausschließlich dazu dient, etwas zu sehen, was überhaupt nicht existiert.

Ich bin kein Märchenprinz, ich bin nicht so großzügig wie Dein Vater und schon gar nicht so nachgiebig wie Deine Mutter. Verdrehte Augen sind mir ein Greuel. Schau mich an wie ich bin. Mehr gibt es nicht.

Ich habe lange überlegt und geprüft, ob das herzlos ist. Ich komme zum gegenteiligen Schluß. Mich unromantisch nennen zu lassen, ist fast schon wie Impotenz bescheinigt zu bekommen. Das wollte ich eigentlich nicht riskieren. Aber wenn ich ehrlich ausspreche, wie ich es sehe mit uns, dann heißt es: „Ich will Dich“.

„Ich liebe Dich“ ist häufig eine bequeme Form des „Ich brauche Dich“. Auch daran habe ich kein Interesse. Ich habe Dich nicht geheiratet, um gebraucht zu werden. Ich will Dich auch nicht gebrauchen. Ich habe Dich geheiratet, weil mir an gemeinsamer Vertiefung gelegen ist.

Ich sehe mich in Dir und Du kannst Dich sehen, wenn Du mich anschaust. Wenn Dir etwas nicht paßt an mir, dann siehst Du, was Dir an Dir nicht paßt. Und wenn ich beobachte, dass Du mich nervst, dann gehe ich weg, um herauszufinden, was es ist.

Ich gehe nicht weg weil Du falsch bist. Ich gehe weg, um herauszufinden, was in mir hervorruft, dass ich Dich falsch finde. In der Wirkung mag es zunächst gleich sein. Ich bin weg. Aber ich komme geklärt zurück. Ich bin es mir wert, mir meine Zeit für mich zu nehmen, um mit mir über Dich ins Reine zu kommen. Wenn ich das herausgefunden habe und mich wieder mag – trotz der Unstimmigkeit – dann kann ich wieder das in Dir sehen, was ich immer gesehen habe. Mich selbst, den ich will.

Es ist nicht wirklich wichtig, ob eine eingekaufte Milchtüte gleich im Kühlschrank landet oder erst eine Stunde auf dem Flur steht. Das Mißtrauen, ich könnte sie dort vergessen, kränkt mich ebenso, wie die Ungeduld und die Bevormundung. Ich hatte keine Lust gleich alles wegzuräumen. Und wenn die Milch schlecht wird, kaufe ich eben neue.

Manchmal bekomme ich den Eindruck, es gibt gar keine Möglichkeit alles richtig zu machen. Ich habe schon darüber nachgedacht, ein paar Testfehler einzubauen in unsere Ehematrix. Doch es gibt Hoffnung am Horizont. Ich herausgefunden, dass es eine gute Möglichkeit ist, das Genörgel abzustellen, indem ich Dich küsse. Toll! Es hört sofort auf.

Könnte ich Dich küssen in so einem Moment, wenn ich mich nicht selbst lieben würde? Nein. Das ist die Grundlage: Selbstliebe. Oder wie es im Talmud heißt: „Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt.“ Wenn ich mich selbst liebe, kann ich Dir sagen: „Ja, ich will Dich.“ Deswegen muß ich manchmal verschwinden – ich brauche Zeit meine Selbstliebe zu kultivieren. Laß mir die Möglichkeit mich zurückzuziehen. Ich brauche immer wieder Zeit, um mich zu klären. Ich komme zurück, sobald ich wieder ohne Zweifel „Ja“ sagen kann.

© 2005 - 2024  Partnerwerk | Henning Matthaei