Respektlosigkeit
Beziehungskiller Nr. 1
Es gibt grobe und subtile Formen der Respektlosigkeit in Beziehungen
Genauso gibt es aktive und passive Formen. Die aktive Respektlosigkeit besteht darin, die Grenzen des Anderen zu überschreiten. Passive Respektlosigkeit dagegen lässt die eigenen Grenzen so undeutlich werden, dass sich der Andere bei der Suche nach Beziehung permanent verirrt.
Die häufigsten Arten von Respektlosigkeit
Ich möchte hier eine kurze Liste der häufigsten Arten von Respektlosigkeit in Beziehungen vorstellen, die mir aus der täglichen Arbeit bekannt sind. Da an Kommunikation immer zwei Personen beteiligt sind, sind meist auch zwei Formen von Respektlosigkeit zu gleicher Zeit am Werke. Durch Respektlosigkeit wird Nähe vermieden bis wenigstens einer von beiden aus dem Spiel aussteigt. Dieser Ausstieg beschäftigt uns noch weiter unten.
Respektlosigkeit: Den Anderen nicht ausreden lassen
Wer den Anderen nicht ausreden lässt, gibt ihm zu wenig Raum. Liebe braucht Raum. Fühlen wir uns mit dem nicht angenommen, was wir auf dem Herzen haben, so entsteht leicht das Gefühl nicht geliebt zu sein. Viel schwerer wiegt jedoch, dass der Andere eine Art Black Box bleibt, wenn ich ihm nicht zu Ende zuhöre. Anstatt Informationen aus erster Hand zu erhalten, muss ich mir eine Interpretation zurecht legen, deren Wahrheitsgehalt oft dürftig ist.
Respektlosigkeit: Nachtragend sein.
Wer nachtragend ist, zieht einen Gewinn daraus, den Anderen in der Opferrolle zu sehen. Vermeintlich schafft dies Sicherheit für sich selbst. Wenn der Andere das Opfer ist, stehe ich über ihm. Respektvoller Umgang findet jedoch auf Augenhöhe statt und verträgt sich nicht mit einer Oben-und-Unten-Hierarchie.
Respektlosigkeit: Vorwürfe.
Vorwürfe sind eine weitere Form der Abgrenzung und Abwertung. Vorwürfe haben nichts mit faktischen Diskussionen zu tun. Sie dienen in erster Linie dazu, den Anderen schuldig zu machen. Zum Thema Schuld habe ich bereits in der vorigen Ausgabe ausführlich Stellung genommen. Die Respektlosigkeit besteht darin, mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen hinter dem Berg zu halten.
Respektlosigkeit: Beschimpfungen.
Beschimpfungen sind ein Ausdruck von vermeintlicher Ausweglosigkeit. Wer den Anderen beschimpft, fühlt sich in der Regel unterlegen. Um die Unterlegenheit zu überspielen wird zu Beschimpfungen gegriffen. Die Respektlosigkeit besteht in der Unehrlichkeit über die eigenen Minderwertigkeitsgefühle.
Respektlosigkeit: Beschimpfungen in sich hineinfressen.
Die passive Form des Umgangs mit Beschimpfungen führt nicht selten dazu irgendwann zu explodieren und dem Versuch, den Partner mit einer verbalen Breitseite aus dem Weg zu räumen. Die Respektlosigkeit besteht im „ruhig bleiben“ in Konfliktsituationen, anstatt Farbe zu bekennen und klare Grenzen zu ziehen.
Respektlosigkeit: Gleich explodieren.
Wer ohnehin immer unter Strom steht geht auch bei Kleinigkeiten in die Luft. Die Respektlosigkeit besteht darin, sich allgemein nicht ausreichend darum zu kümmern, in einem ausgeglichenen Gemütszustand zu sein.
Respektlosigkeit: Interpretation des Anderen.
Eine der subtileren Formen der Respektlosigkeit ist es, Vermutungen über den Partner anzustellen. Dies äußert sich dann beispielsweise durch in den Mund geschobene Sätze, die so beginnen: „Du meinst wahrscheinlich… “, „Du bist wie… “, „Ich glaube, dass Du… “ Sie enthalten eine Grenzverschiebung zu Ungunsten des Adressaten.
Statt eine Frage zu stellen und eine Selbstauskunft des Gegenübers zu erhalten, wird er in die eigene Gedankenwelt eingeordnet. Die Respektlosigkeit besteht darin, dem Anderen die Freiheit zu nehmen, sich selbst zu erklären oder gegebenenfalls auch diese Erklärung zu unterlassen.
Respektlosigkeit: Unvollständige Kommunikation.
Unvollendete Kommunikationen sind wahrscheinlich die häufigste und am schwierigsten zu erkennende Form der Respektlosigkeit. Sätze werden nicht vollendet, Erklärungen nicht vollständig abgegeben. Der Zuhörende muss selbst Arbeit verrichten, um aus dem Gehörten eine verständliche Mitteilung zu machen. Es bleibt ein Gefühl von Verunsicherung und Undeutlichkeit.
Aus meiner Sicht ist es unverzeihlich, dem Partner die Arbeit beim Verstehen der Mitteilung zu überlassen. Wir gehen eine Partnerschaft ein, um uns wenigstens einem Menschen umfassend zu öffnen und zu zeigen. Unvollständige Kommunikation ist eine Verweigerung von Intimität.
Respektlosigkeit in Beziehungen beenden – Intimität riskieren
Wie oben schon angedeutet, dienen sämtliche Formen von Respektlosigkeit dazu, sich den anderen vom Leib zu halten. Um das zu verdeutlichen, möchte ich ans andere Ende der Skala Intimität setzen.
Respektlosigkeit in der Beziehung ist die Abwesenheit von Intimität und Verbundenheit. Auf der anderen Seite verschwindet Respektlosigkeit in dem Maße, in dem ich mir erlaube und traue berührbar zu sein.
Berührbarkeit beschreibt eine Haltung der Achtsamkeit des Herzens. Indem ich meinen Fokus verschiebe von der Notwendigkeit, mein Ich mit all seinen Vorstellungen und Konzepten zu beschützen, hin zur Sehnsucht mein Herz zu öffnen und mir selbst und dem Anderen ein Zuhause zu bieten, lerne ich intimere Begegnungen zuzulassen.
Solche Intimität ist immer respektvoll. Sie ist erlernbar.
Häufige Fragen und Antworten zu Respektlosigkeit in Beziehungen
Wie zeigt sich Respektlosigkeit in Beziehungen?
Es gibt unterschiedlich subtile oder offensichtliche Formen der Respektlosigkeit. Manchmal wird sie durch Augenrollen oder auf Seufzen zum Ausdruck gebracht. Kann aber auch ausgesprochen werden durch sarkastische Bemerkungen bis hin zu permanenten Unterbrechungen, wenn der Partner spricht.
Ist Respektlosigkeit ein schleichender Prozess der Zerstörung?
An sich ist die Frage schon die Antwort. Je mehr sich Partner aneinander gewöhnen, desto leichter fällt es Ihnen, den gegenseitigen Respekt wegzulassen.
Wir werden also weniger vorsichtig und weniger aufmerksam und gleichzeitig kann sich über die Jahre ein grundlegendes Genervtsein einstellen. Wenn die Angewohnheiten des Beziehungspartners nicht mehr mit Großzügigkeit hingenommen werden können, entstehen negative Antwortmuster, die häufig Respektlosigkeit enthalten. Da sich diese Verhaltensweisen in kleinen Schritten entwickeln fallen sie zunächst nicht auf, untergraben aber die Stabilität der Beziehung und des Vertrauens.
Spielt der Mangel an Kommunikation bei der Entstehung von Respektlosigkeit eine Rolle?
So wie die kleinen Unfreundlichkeiten, mit der die Unzulänglichkeiten des Partners beantwortet werden, ist auch das Schweigen eine Art, den verlorenen Respekt füreinander zum Ausdruck zu bringen. Die Frau/der Mann wird ignoriert, links liegen gelassen, nicht beachtet.
Auf diese Weise werden Missverständnisse und Konflikte erzeugt und nicht aufgelöst. Diese mangelnde Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem, was schwierig erscheint, ist respektlos.
Was hat Respektlosigkeit mit Selbstwertgefühl zu tun?
Menschen entwickeln die unterschiedlichsten Verhaltensweisen, um zu kaschieren, dass sie sich unsicher fühlen. Wer in der Beziehung Angst hat oder sich vom anderen verunsichert fühlt, dies aber nicht zugeben mag, flüchtet sich bisweilen in einen Angriff.
Paradoxerweise kann diese Angriffe wiederum bei der Partnerin/beim Partner zu Unsicherheit führen und damit den Gegenangriff einleiten. So wird die Respektlosigkeit in Beziehungen zum Teufelskreis.
Warum bleiben wir respektlos in Beziehungen, obwohl wir die Folgen kennen?
Unsere guten wie unsere schlechten Verhaltensweisen sind zum einen Teil Prägungen aus Kindheit und Jugend, zum anderen Gewohnheiten.
Nur eine erhebliche Erschütterung oder ein starker Wille können uns aus diesen festgefahrenen Gewohnheitsspuren herausheben.
Mit welchen Mitteln kann man Respektlosigkeit in Beziehungen beenden?
In Paarbeziehungen ist die Erschütterung häufig, dass einer von beiden die dysfunktionale Beziehung beendet und damit sichtbar macht, was bereits vorher geschehen ist: die Paarbeziehung hat sich wieder in zwei Einzelpersonen aufgelöst.
Der eigene Wille hingegen kann lange bevor die Beziehung am Ende ist zum Einsatz kommen. Das funktioniert analog dazu, wie es möglich ist, sich einer neuen Ernährungsweise und stärkerer sportlicher Betätigung zuzuwenden, wenn man Übergewicht hat. Der Wille kann eingesetzt werden, sich seiner negativen Verhaltensweisen in der Paarbeziehung bewusst zu werden und sein Verhalten zu ändern. In diesem Fall kann eine Paartherapie der richtige Weg sein.
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