Die Kunst der Gelassenheit

Wie man glücklich wird

Die Menschen suchen schon lange nach dauerhaftem Glück. Mal wird es im Heiligen Gral vermutet, manche meinen, eine gute Beziehung würde ihnen Glück bescheren, andere wiederum...

Die Menschen suchen schon lange nach dauerhaftem Glück. Mal wird es im Heiligen Gral vermutet, manche meinen, eine gute Beziehung würde ihnen Glück bescheren, andere wiederum hoffen auf das große Geld oder eine sichere Rente. Lesen Sie hier, warum niemand vom Glück ausgeschlossen werden kann, es aber ganz woanders zu finden ist.

Glück haben, d.h. das verlorene Paradies wiederzufinden, ist der Motor aller menschlichen Bestrebungen. Aber sehr häufig wird das Paradies als ein äußerer Ort mißverstanden. Erfolgversprechender ist es, sein Glück im eigenen grundlegenden Gutsein zu finden. Der Ausdruck grundlegendes Gutsein weist bereits den Weg: nach innen. Das grundlegende Gutsein bildet den Hintergrund allen menschlichen Lebens. Mit anderen Worten: Jeder Vorgang, jedes Ereignis ist Teil eines unendlichen Gewebes, selbst wenn uns dessen Sinn verborgen bleibt und unabhängig davon, wie wir es moralisch beurteilen.

Der Mystiker Meister Eckhart gab im 14. Jahrhundert dem mittelhochdeutschen Wort »gelazen« eine neue Deutung. Bedeutete es bis dahin niedergelassen, also an einem bestimmten Ort zu wohnen und Besitz zu haben, so beschreibt das Wort Gelazenheit bei Meister Eckhart einen Zustand, in dem weltliche Dinge, Hab und Gut, gesellschaftliche Anerkennung und Genüsse losgelassen werden. Er prägte den Ausdruck: "Laß Dich!", womit er darauf hindeutete, daß jemand, der sich von seiner Persönlichkeit und seinem eigenen Wollen und Tun löst, der Einheit mit dem Göttlichen näher kommt.

«Die Leute sagen oft zu mir: ,Bittet für mich!' Dann denke ich: ,Warum geht ihr aus? Warum bleibt ihr nicht in euch selbst Und greift in euer eigenes Gut? Ihr tragt doch alle die Wahrheit Wesenhaft in euch.'» Eckhart von Hochheim (Meister Eckhart), 1260-1327

Zur Gelassenheit gelangt man also nicht, indem man andere für sich beten läßt. Man wendet sich vielmehr nach innen, um in sein eigenes Gut zu greifen, was nichts anderes bedeutet, als sich der eigenen innewohnenden Vollkommenheit zu erinnern. In der buddhistischen Lehre wird häufig vom "grundlegenden Gutsein" gesprochen. Wer in sein eigenes Gut greift, wer sich also nach innen wendet und die Ich-Welt der Persönlichkeit zurückläßt, wird das grundlegende Gutsein entdecken.

Das ist es, was den Tod überdauert: ein grundlegendes Gutsein, das in jedem von uns liegt. Unser ganzes Leben ist eine Aufforderung, dieses Gutsein zu entdecken, und eine stetige Übung, es zu verwirklichen.» Sogyal Rinpoche

Aber auch in der christlichen Kultur finden wir ursprüngliche Worte zu diesem Thema:

«Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut.» Genesis 1,31

Glücklich lebt, wer mit seiner Essenz im Kontakt und im Reinen ist. Um mit unserer Essenz in tieferen Kontakt zu treten, müssen diverse "Drachen" besiegt oder gezähmt werden. Einer der gewaltigsten von ihnen ist das uns kulturell eingepflanzte Gefühl von Schuld. Das grundlegende Gutsein aller Menschen, die innerhalb der christlichen Kultur aufgewachsen sind, ist erheblich verletzt. Durch die Fehlinterpretation des Sündenfalls, der eigentlich eine Metapher dafür ist, dass sich der Mensch von seinem grundlegenden Gutsein (Paradies, Gottes Weisungen) entfernt hat und in den zwischen Gut und Böse unterscheidenden Geist eingetreten ist, wird geleugnet, dass das Paradies jederzeit und für jedermann vollkommen verfügbar ist.

Das Wissen um das grundlegende Gutsein in jedem Menschen sollte den Handlungsrahmen für unseren Alltag darstellen. Es ist der Hintergrund all dessen, was geschieht und wir können erreichen, im Einklang damit zu sein und zu handeln. Erinnern wir uns an unser eigenes grundlegendes Gutsein, so sehen wir es in anderen Menschen mühelos. Nichts wird dringender gebraucht in einer Welt voller Mißtrauen und Haß. Haben wir aber erst das grundlegende Gutsein erkannt, ist dies nichts anderes als die Erkenntnis unseres SELBST - Gott, der sich in seiner eigenen Schöpfung wiederfindet.

«Denn dem Himmel ist alles offenbar; und es gibt nichts Verborgenes, das sich nicht manifestieren wird, und nichts Verdecktes, das nicht aufgedeckt werden wird.» Thomas-Evangelium

Mehr zum Thema Gelassenheit finden Sie in dem Buch von Gregory Campbell und Henning Matthaei: Gelassenheit - Die Hohe Kunst des Lebens und des Sterbens.

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