Respekt durch Achtsamkeit
Was bedeutet Respekt für die Paarbeziehung?
Eine in vielen Paarbeziehungen mangelhaft ausgeprägte Eigenschaft ist der Respekt vor dem Anderen. Der Kern von Respekt ist Achtsamkeit. Folgendes Beispiel berichtete uns vor einigen Jahren ein Paar mit drei Kindern.
Die Frau engagierte sich in der Elternarbeit des Kindergartens und organisierte eine gemeinsame Übernachtung der Kinder auf einem Bauernhof. Als Betreuung wurden einige Eltern gebraucht und sie bot bei der Vorbesprechung an, dass sie oder ihr Mann als Betreuung zur Verfügung stehen würden. Ihrem Mann sagte sie es so: „Einer von uns beiden muss auf dem Bauernhof mit übernachten.“
Als einige Wochen später der Termin vor der Tür stand, kam es zum Streit, weil sie wie selbstverständlich von ihm erwartet hatte, dass er seine Sachen packt, um im Bauernhof zu übernachten.
Wer war respektlos?
Beide! Der Satz „Einer von uns beiden...“ lässt die Entscheidung noch offen. Keiner von beiden hat für Klärung gesorgt und jeder sich irgendetwas gedacht oder vom anderen erhofft, ohne es zu benennen. Somit waren beide unachtsam mit sich selbst und dem Anderen.
Möglichkeit eins: Sie schließt ihre Darstellung der Vorbesprechung mit dem Satz: „Kannst du das übernehmen, und bei den Kindern im Bauernhof übernachten? Daraufhin wäre eine klare Antwort seinerseits fällig, die „Ja“ oder „Nein“ sein könnte. Möglichkeit zwei: Er fragt sofort nach ihrer Ankündigung („Einer von uns beiden...“), wen sie denn damit meine und provoziert damit eine eindeutigere Bitte seiner Frau. Oder er macht eine klare Aussage, weil er die unausgesprochene Bitte versteht: „Okay, das kann ich machen“, beziehungsweise: „Nein, das werde ich nicht tun“.
Der Kern von Respekt ist Achtsamkeit
Die Unachtsamkeit (Respektlosigkeit) beginnt allerdings noch früher. Und zwar in dem Moment, als die Frau für ihren Mann entschieden hat, indem sie die Zusage „Einer von uns beiden wird es tun...“ gegeben hat. Die respektvollere Variante wäre gewesen: „Ich werde meinen Mann fragen, ob er das tun kann und lasse es euch wissen.“
Allerdings hat sie es möglicherweise aus dem Grund nicht gemacht, weil sie findet, dass man so etwas für die Kinder und die Elterngemeinschaft tun müsse. Auch hier liegt die Respektlosigkeit in mangelnder Aufmerksamkeit. Die eigenen Werte werden gesetzt, während die Nachfrage beim Partner unterbleibt. Ihr Mann hat sich in diesem Falle revanchiert, indem er kurz vor der Veranstaltung den Sinn des Ganzen in Frage stellte und damit seiner Frau einen ordentlichen Schrecken einjagte. Damit war erreicht, was zu gelungener Kommunikation dazugehört: die Verursachung desselben Gefühls im Anderen, das man selbst in sich trägt. Er hatte sich von ihrem „Einer von uns...“ überrumpelt gefühlt und zahlte jetzt mit gleicher Überrumpelungsmünze heim.
Hätte er einige Wochen zuvor achtsam zugehört, wäre ihm die Ungenauigkeit seiner Frau aufgefallen und er hätte, im Dienste der Fortführung der Beziehung, für sofortige Klärung gesorgt.
Ich sehe im wesentlichen drei Gründe dafür, weshalb solche Missverständnisse und Respektlosigkeiten tagtäglich geschehen:
Wir hören nicht zu Ende zu und denken schon eigene Gedanken, bevor wir verstanden haben, was der andere von uns will. Das könnte man Beziehungsignoranz nennen.
Klare Forderungen und eindeutige Zu- oder Absagen werden vermieden, weil sie scheinbar angreifbar machen. Das könnte man Beziehungsangst nennen.
Klärungen werden verschleppt, in der Hoffnung, dass der andere sich darum kümmert. Das könnte man Beziehungsfaulheit nennen.
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