Sprachlosigkeit in Beziehungen

Den Stillstand in der Kommunikation beenden

Foto: Sharon Mollerus (Lizenz) Nie wieder sprachloser Stillstand in der Beziehung. Der Verfall kommt schleichend. Erst haben nur beide viel zu tun. Arbeit, Familie, Haushalt – oder...

Foto: Sharon Mollerus (Lizenz)

Nie wieder sprachloser Stillstand in der Beziehung.

Der Verfall kommt schleichend. Erst haben nur beide viel zu tun. Arbeit, Familie, Haushalt – oder alles zugleich. Am Ende steht die Sprachlosigkeit in der die Gemeinsamkeit auf der Strecke bleibt. Wie kann es soweit kommen? Und noch wichtiger: wie kann man den Weg zurück zum Dialog finden und vermeiden, dass die Sprachlosigkeit sich wieder breit macht?

Es gibt einen Teufelskreis der Sprachlosigkeit in Beziehungen

Er spielt sich meistens mit den folgenden Elementen ab, die nicht ganz so geordnet daher kommen, sich wechseln und mischen, aber doch alle beitragen zum Phänomen Sprachlosigkeit in Beziehungen.

Zunächst ist zu wenig Zeit für den Austausch. Hintergründe dafür sind vielfältig aber zunehmend. Karrieren kennen keinen Feierabend. Während man sich vor 30 Jahren noch halbwegs auf 18 Uhr als Familien-Abendessenszeit einigen konnte, ist das für viele Berufsbilder heutzutage nur noch Wunschdenken. In jedem Fall, wenn man vorhat, auf der Karriereleiter ein Stück nach oben zu steigen.

Die Familie fordert ihren Tribut

Die Ansprüche der Kinder sind höher. Das Mamataxi soll rollen. Zwischendrin dann noch der eigene Job, der Haushalt und etwas zu Essen besorgen. Manchmal auch kleine Kinder, denen wir nicht mehr so gut beibringen zu können scheinen, dass Kindergartenkinder um 19 Uhr ins Bett gehören.

Endlich ist Feierabend, Ruhe im Haus und wir haben vielleicht sogar etwas gegessen. Aber es ist spät, beide Partner sind müde. Und wenn jetzt noch jemand etwas tun sollte, dann bist du es doch, der etwas für mich tun könnte. Schließlich habe ich mich ja für uns so abgerackert.

Da treffen nun zwei Bedürftige aufeinander und einer erwartet vom anderen, dass er diese Bedürfnisse erkennt. Schließlich sind wir ja zusammen, weil wir uns lieben. Und wenn man sich liebt, weiß man, was der andere braucht, oder?

Die Abwärtsspirale dreht sich

[figure class="c-figure c-figure--right" caption="Foto: Steffen Zahn, (Lizenz)"]Sprachlosigkeit in Beziehungen[/figure]

Nächster (innerer) Schritt: Und wenn du das nicht erkennst, dann liebst du mich auch nicht richtig.

Das geht abwärts. Bedürfnisse werden nicht nicht artikuliert und daher auch nicht erfüllt. Unerfüllte Bedürfnisse machen unzufrieden und führen zu Ressentiments gegenüber dem Partner. Die Zurückhaltung führt zu noch geringerem Austausch und damit zu noch weniger Abgleich der Bedürfnislagen.

Eine ähnlichen Weg in die Sprachlosigkeit gibt es in bezug auf Sexualität

Es gibt keinen Abgleich der Bedürfnisse wodurch die erotische Anziehungskraft abgeschwächt wird. Dies führt zu Frustration. Zu einer Frustration, die ziemlich tief geht, da die nicht erfüllte erotische Sehnsucht einer Ablehnung der eigenen lebendigen Impulse gleichkommt. Als nächstes wandelt sich die Frustration in Genervtheit und Vorwurf, wodurch natürlich die Lust auf ein verbindendes Gespräch weiter abnimmt, die erotische Lust verschwindet so allemal.

Ob nun Liebesleben oder Alltagsleben (warum ist Liebesleben bei den meisten Paaren eigentlich nichts alltägliches?): der Dialog muss vitalisiert werden. Der direkteste Weg ist die Umkehrung der beschriebenen Teufelskreise. Dann werden sie zu Heilungswegen.

Der Ausweg aus der Sprachlosigkeit in der Beziehung

Es beginnt immer mit der Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Wo stehe ich denn wirklich in bezug auf meine Bedürfnisse? Warum traue ich mir nicht zu sprechen? Welche Tricks verwenden ich, um dem echten Austausch zu entgehen?

Darauf kann man aufbauen: Zwei Menschen, die beschlossen haben, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, können gemeinsam beginnen sich die Wahrheit zu sagen. Nicht Vorwürfe sind gemeint. Nicht „die Wahrheit über dich“ sonder die Wahrheit über mich. Was mir fehlt, was ich bedauere und wie ich mich damit fühle. Was schön wäre zu haben und zu tun und was ich denke, was das verändern könnte.

Was kann der Partner tun: Zuende zuhören. Schmerz, Zweifel, Angst, Zorn, Unzufriedenheit sind zulässige Gefühle. Solange sie nicht über den anderen ausgeschüttet werden, sondern selbstverantwortlich benannt und verantwortet werden, gibt es keinen Grund, den Partner zu unterbrechen oder ihm das Gesagte durch „Ja, aber“ oder unnütze Lösungsvorschläge wieder in den Mund zu stopfen.

Wir suchen nicht nach Lösungen, wenn wir über unser Unglück sprechen. Wir brauchen einen Freund, der uns wahrnimmt und uns zustimmt, ganz gleich welcher Stimmung wir gerade sind. Paare, die lernen Freundschaft zu schließen, können das erleben, was die meisten sich wünschen: gemeinsam alt werden, und das ganz ohne Streit.

Die Liebe wird belebt

So wandeln sich Genervtheit und Frust in Verständnis, Mitgefühl und Geborgenheit. Was verändert das zwischen zwei Menschen? Es erhöht die Anziehungskraft. Es belebt die Liebe.

Diese Liebe beginnt als Tätigkeit. Die Tätigkeit ist die Selbstwahrnehmung, die dann in den Selbstausdruck übergeht. Ich erzähle dir von mir, was ich erlebe. Austausch von inneren Welten statt von Vorwürfen. Das Glück, jemanden an sich selbst teilhaben lassen zu können. Das Glück jemandem den Raum geben zu können, in dem er sich anvertrauen mag.

Das alles ist Grund genug, die eigene Zeitplanung auf den Prüfstand zu stellen. Sich gemeinsame „Termine“ zu setzen, in denen man sich wieder als Paar begegnet. Und diese dann einzuhalten, regelmäßig, verlässlich, manchmal wiederwillig, oft im Nachinein beglückt.

© 2005 - 2024  Partnerwerk | Henning Matthaei