Liebesgeschichten
Wie wird man zum Liebenden?
If your are looking for meaning in life, the first place people turn to is love. Shawn Coyne
Unsere Biologie schreibt uns vor, dass wir einen Partner finden sollen. Die romantische Liebe legt fest, auf welche Weise wir unseren biologischen Code in gesellschaftliche Form umsetzen.
Liebesgeschichten sind mit Abstand die beliebteste Romanform. Sie erwirtschaften im amerikanischen Massenbüchermarkt eine Jahresumsatz von 28 Mrd. Dollar. Shawn Coyne hat Jahrzehnte in verschiedenen amerikanischen Großverlagen als Lektor gearbeitet und seine Erkenntnisse über die Struktur von Geschichten in seinem Buch Story Grid veröffentlicht. Er unterscheidet drei wesentliche Abteilungen von Liebesgeschichten. Sie ordnen sich von Unverbindlichkeit zu Verbindlichkeit.
Die erste Abteilung bilden die Geschichten von Verlangen. Diese Romane thematisieren den grundlegenden Drang der sexuellen Pole, sich gegenseitig zu erobern. Solche Geschichten enthalten Betrug und Obsession, Mißtrauen und Gier. Eine der bekanntesten solcher Verlangensgeschichten ist vielleicht Basic Instinct mit Michael Douglas und Sharon Stone.
Den zweiten Bereich und sicher mit Abstand den größten, bestreiten all die Liebesgeschichten, in denen das umeinander Werben eine Rolle spielt. Die Liebenden haben sich noch nicht, haben sich nur gesehen, wollen sich haben, drängen danach, die Projektionsfläche ihrer Sehnsüchte an sich binden zu können. Die gesamte Geschichte dreht sich darum, auf welche Weise dieses zueinander Streben den Schwierigkeiten ausgesetzt wird, die das Leben bereit hält. Die Handlung besteht aus dem, was die beiden alles anstellen, um sich letztendlich gegen allen Widerstand dennoch bekommen zu können.
Solche Liebensgeschichten der gegenseitigen Umwerbung können heiter und lustig sein, genauso aber auch voller Drama, unerfüllter Sehnsucht und enttäuschter Hoffnungen. Der Leser oder Zuschauer erwartet allerdings grundsätzlich einen guten Ausgang. Diese Art der Liebesgeschichten endet für gewöhnlich mit dem ersten Kuss. Als Konsument dieser Geschichten erhalten wir Blaupausen für das, was kollektiv empfundene Voraussetzungen dafür sind, mit einem festen Partner belohnt zu werden.
In der dritten Gruppe der Liebesgeschichten finden wir solche, in denen es um dauerhafte Beziehungen geht; Beziehungen in denen das Ja-Wort bereits gefallen ist. Hier geht es darum, einen Weg zu finden, wie die beiden Liebenden einander immer näher kommen können, sich vollständiger einlassen und dabei ihre persönlichen Zurückhaltungen immer leichter aufzugeben bereit sind. In diesen Geschichten geht es um das was kann ich für dich tun? Es sind die Geschichten, die in der Paartherapie Hamburg mit dem Satz beschrieben werden: „Wir wollen miteinander alt werden." Das sagen auch junge Paare und es geht ihnen nicht um das alt werden sondern um das miteinander w e r d e n. Ohne das klärende Gespräch kann das nicht gelingen:
Ein altes Ehepaar bereitet sich auf das Sterben vor. Sie sagt: „Hast Du irgendeinen Wunsch, den ich dir noch erfüllen soll?“ Er antwortet: „Ja. All die Jahre, habe ich morgens auf die Oberhälfte des Brötchens verzichtet, damit du sie haben kannst. Ich würde gerne einmal in unserer verbleibenden gemeinsamen Zeit, die Oberhälfte zum Frühstück bekommen.“ Sie bricht in Tränen aus und sagt: „Und ich habe all die Jahre immer auf die Unterhälfte verzichtet, weil ich dachte du magst sie lieber, da du mir ja immer die Oberhälfte gegeben hast.“
Was zeichnet Liebende aus, die sich vorgenommen haben, gemeinsam zu w e r d e n ?
Intimität fasst in einem Wort diesen dauerhaften Versuch zusammen, sich tiefer aufeinander einzulassen und durch die Paarbeziehung über die persönlichen Ich-Begrenzungen hinauszuwachsen.
In den kommenden fünf Ausgaben des eMagazins »Gut leben!« sehen wir uns die fünf essenziellen Zutaten einer langlebigen Paarbeziehung an. Wir untersuchen Wille, Respekt, Vertrauen, Zuneigung und Verbundenheit. Nachdem wir die Hölle der Bedürftigen durchwandert haben, sind wir hier im Himmel der Liebenden. Es sind Ideale. Ideale sollen den Weg weisen wie ein Kompass. Wir werden immer zu kurz springen, aber der Versuch sollte darauf ausgerichtet sein, so weit wie möglich zu kommen, bei jedem Sprung…
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