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Die Sprachlosigkeit der Männer
Henning: [00:00:00] Ich glaube, dass die Sprachunfähigkeit von Männern schon ganz früh anfängt - und zwar fängt sie da an, wo wir alle nicht genügend Kontakt mit sprechenden Vätern gehabt haben, und sprechen, und Auseinandersetzung, und Diskussion usw. immer nur stattfand mit Müttern, während Väter sich schweigend zurückziehen und nicht anwesend sind oder eben einfach nur bei der Arbeit und die nächste Generation macht es dann eben genauso. Und hat dann sowohl mit sich selber als auch mit anderen Menschen die Schwierigkeit, dass wir nicht ausdrücken können, was wir eigentlich gerade wollen. Wie es uns geht. Welche Bedürfnisse wir haben. Was wir uns von anderen wünschen.
Henning: [00:00:54] Was wir noch am besten tun könnem, ist Befehle erteilen. Also: Sprachlose in Sprachfähige verwandeln, bedeutet, dass der, der sich sprachlos fühlt oder spracharm, untersuchen muss, wo ist eigentlich mein Schmerzpunkt, an dem ich aufhöre zu sprechen.
Henning: [00:01:25] Also welche Dinge berühren mich so unangenehm, dass ich dann ins Schweigen verfalle. Dass ich dann aufhöre zu sprechen, weil ich da nicht weiter will; weil ich das unangenehm finde, darüber zu sprechen; weil ich es unangenehm finde, dass es jemand anders mitbekommt, dass es da wehtut.
Henning: [00:01:44] Und das Hilfreichste dafür ist es, das in Gegenwart von Männern zu machen, also mit anderen Männern gemeinsam diese Sachen anzuschauen, nicht mit Frauen gemeinsam.
Henning: [00:01:54] Das ist die Männerarbeit.
Claudia: [00:02:17] Das ist der Teil, den die Frauen nicht machen können.
Henning: [00:02:22] Es ist enorm hilfreich für einen Mann, wenn ihm ein anderer Mann zuhört dabei, wenn er über seinen Schmerz spricht.
Henning: [00:02:36] Es ist so eine tiefe Heilung da drin. Wenn ich einen Mann habe, dem ich vertraue und dem erzählen kann, was mich leiden lässt - worunter ich leide, was schwer ist für mich oder worunter ich früher gelitten habe, was mir immer wieder hochkommt. Was mit meinen Eltern ätzend war oder was in der Schule ätzend war oder auch was ich unerträglich finde in der Ehe oder Partnerschaft, die ich führe. Es ist immer eine absolute Erleichterung, wenn es einen Mann gibt, der den Raum schaffen kann, in dem ich das erzählen kann, ohne dass er versucht das wegzumachen, weil es ihn selbst berührt in seinem Schmerz, ohne dass er versucht gleich dran rumzudoktern und mir irgendwelche Vorschläge zu machen, sondern der es einfach nur empfängt.
Henning: [00:03:37] Und es ist schon auch hilfreich, wenn das eine Frau tut, aber es hat einfach noch einen viel tieferen Eindruck in der männlichen Seele - wenn man es so nennen möchte - wenn das ein anderer Mann tut. Es heilt einfach eine tiefere Wunde, nämlich diese Wunde des Nicht-Vertrauens, die wir so von Männer-Generation zu Männer-Generation weitergeben.
Henning: [00:04:03] Ich kenne nur sehr wenige Männer die ein vertrauensvolles, freundschaftliches Verhältnis zu Ihrem Vater haben. Einem Vater, dem sie die Ehre erweisen, weil er eine hilfreiche Anleitung war, das Leben zu meistern.
Claudia: [00:04:37] OK. Gibt es irgendetwas, was eine Frau für ihren Mann tun kann, um ihn darin zu unterstützen oder ihn auf diesen Weg zu bringen?
Henning: [00:04:54] Zwei Antworten gibt's darauf. Es gibt unterschiedliche Reifestufen von Männern. Es gibt eine Stufe, die man als komplett unreif bezeichnen könnte, da kann die Frau ihm überhaupt keinen Hinweis geben. Da kann sie nur das Weite suchen und sagen: „OK, der Typ ist verloren für die Frauenwelt.”
Claudia: [00:05:18] Auch wenn er nicht schwul ist.
Henning: [00:05:23] Auch wenn er nicht schwul ist. Aber der ist einfach so beschäftigt mit sich selber, so verquer, so schwierig und so weiter und er lässt sich nicht einmal irgendeinen guten Hinweis geben.
Henning: [00:05:34] Es gibt Frauen, die da total viel Kraft darauf verwenden, die auch ewige Zeiten in solchen Beziehungen bleiben, das sind dann Co-Abhängige. Er tut nichts für seine Heilung und sie tut nichts für ihre, indem sie weggeht.
Henning: [00:05:51] So, und dann gibt's etwas gereiftere Männer, denen kann die Frau sagen: „Mensch, ich sehe, dass du es schwierig hast. Und ich kann das nicht lösen für dich. Ich bin nicht stark genug das zu tragen. Ich habe nicht die Kapazität dafür. Ich habe nicht das Wissen dafür.” Was auch immer. Oder: „Ich weiß, dass du bei einem Mann besser aufgehoben wärst.”
Claudia: [00:06:16] Das setzt schon eine gewisse Reife bei der Frau voraus, weil wir schon denken, wir sollten das dann als Partnerin können.
Henning: [00:06:24] Ja, es ist eine irre Selbstüberforderung, glaube ich, die Frauen sich immer wieder antun damit. Wenn solche unbereinigten Männergefühle losgehen, die sind einfach so machtvoll, dass sie die Frau auch aus den Puschen hauen können.
Henning: [00:06:44] Ich teile auch nicht die Auffassung, dass Männer keine Gefühle haben, sondern immer nur, dass Männer so machtvolle Gefühle haben, dass sie sie selber sehr gut deckeln. Und wenn sie denn mal ausbrechen, dann gibt's einen ziemlichen Sturm. Der kann eine Partnerschaft oder eine Familie ganz schön ins Wanken bringen.
Henning: [00:07:24] Und weil diese Männergefühle so stark sind, ist es ganz gut wenn ein anderer Mann da ist, der mit seinen schon gearbeitet hat und der mit seinen etwas klarer ist, dass er das aushalten kann, wenn ein anderer Mann ihm seinen Schmerz, seinen Zorn oder was auch immer zeigt.
Henning: [00:07:43] Einfach weil er weiß, dass das ein Sturm sein kann und er aber, weil er selber gut geerdet ist und gut gegründet ist, kann er das aushalten.
Henning: [00:07:57] Also meine Empfehlung für Männer, die wirklich ein Stück weitergehen wollen, ist immer such dir einen Mann, dem du vertraust. Es muss gar kein professioneller Therapeut oder sowas sein. Es ist einfach ein Mann, dem man zutraut, dass er gewisse Dinge im Leben besser meistert.
Henning: [00:08:17] In unserem Themenfeld Beziehungsangelegenheiten besser meistert. Oder den Kontakt mit sich selber oder das Selbstvertrauen oder die Lebensaufgabe oder welches Thema auch immer, worum es für mich geht, kann ich dann gucken, gibt es einen Mann, dem ich einfach deutlich mehr zutraue als mir, und dann dahin zu gehen und zu sagen: „Mensch ich möchte gerne von dir etwas hören dazu oder, dass du mal hörst, was ich dazu zu sagen habe. Oder dass du mir einen Rat gibst.” Oder wie auch immer. Also diesen Kontakt einfach herzustellen.
Henning: [00:08:56] Aber da sind wir natürlich gleich wieder an dem großen Männerdilemma, dass wir ja einander nicht vertrauen. Ja, klassisches altes Vaterthema, das eigentlich geheilt werden sollte durch diesen Kontakt mit dem Mann, aber das verunmöglicht ihn auch.
Henning: [00:09:10] Also wir sind echt in der Zwickmühle in uns selber.
Henning: [00:09:15] Und das macht glaube ich so viel von dem Druck aus, der auf Männern lastet. Wir sind irgendwie gezwungen es in uns selber auszumachen, oder wir zwingen uns selber dazu, es mit uns auszumachen. Und unsere allergrößte Sehnsucht ist, dass da ein anderer Mann ist, der es versteht.
Henning: [00:09:32] Aber gleichzeitig trauen wir es keinem anderen zu. Oder wir haben große Sorgen, dass uns einer wirklich sehen würde in unserer Schwäche und wollen die nicht zeigen, denn es könnte sein, dass diese Schwäche nicht freundlich aufgenommen wird, sondern dass wieder genauso reingehauen wird, wie es unsere Erfahrung ist.
Henning: [00:09:55] „Heul nicht.” „Sei kein Weichling.” All diese Sprüche, die eigentlich jeder kennt. „Memme.” „Heulsuse.”
Henning: [00:10:05] Jeder hat so zwei, drei Wörter, die ihm richtig toll ins Herz reinhauen und das wollen wir um jeden Preis vermeiden, dass das nochmal passiert.
Claudia: [00:10:17] Na ja, ich denke, da fällt mir das gerade so ein: „Muttersöhnchen” ist sicherlich auch sowas und „Frauenversteher” geht in die gleiche Richtung wie Muttersöhnchen.
Henning: [00:10:26] Und deshalb hab ich das geschrieben über diese Begriffe Frauenversteher, Schattenparker und so weiter. Die gehen alle in diese Richtung, nämlich den anderen Mann zu degradieren als einen, der nicht zu den richtigen Männern gehört.
Claudia: [00:10:43] Der nichts aushält.
Henning: [00:10:48] Ja. Und es wird dadurch ganz viel über Bord geworfen an Fähigkeit. Was ist so schlimm daran, Frauen zu verstehen. Das ist die Hälfte der Menschheit. Es wäre nicht verkehrt, die zu verstehen. Aber um Frauenversteher zu werden, muss ich wahrscheinlich erst mal ein Selbstversteher werden. Wenn ich mich selber nicht richtig begreife, wie soll ich andere verstehen?
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