Wer bin ich und was soll ich hier?
An einem Ort wie diesem mit Leuten wie diesen?
Geht es Ihnen manchmal auch so? Einfach keine Lust mehr auf irgendetwas – kein Bedarf mehr, dass noch irgendjemand etwas von Ihnen will? Immer wieder in Anforderungen stehen, weil die Aufgaben nie alle erledigt sind? Diese Stimmung kann man eine Sinnkrise nennen. Früher als Midlife Crisis beschrieben, kann man sie heute zunehmend auch bei jüngeren Menschen beobachten, offensichtlich häufiger bei Männern als bei Frauen.
Es tauchen einfach Zweifel daran auf, dass das genügt, was ein Menschenleben im klassischen Sinn ausmacht: Erwachsen werden, Beruf erlernen, Geld verdienen, Familie gründen, Besitz schaffen. Dann kann ja nicht mehr viel kommen. Nur noch der Tod. Man kann sich noch über Wasser halten mit der einen oder anderen Ersatzbefriedigung, ein Urlaub hier, ein Motorrad da, aber innen drin nagt das Gefühl: »Ich will eigentlich etwas anderes.«
Was ist das, dieses »andere«? Das ist der Wunsch danach, vollständiger zu verstehen. Wer ich bin, was ich auf diesem Planeten zu suchen habe, was das für Leute um mich herum sind und was ich mit denen zu tun habe, welchen Sinn das Leben überhaupt macht. Wer Antworten auf diese Fragen hat, wird weise genannt. Heutzutage gibt es leider nur wenige weise Menschen. Und deshalb auch wenig Anleitung beim weise Werden.
Sie können aber selbst losgehen, um Weisheit zu finden. Genauer gesagt, wenn Sie es wirklich wollen, haben Sie gar keine Wahl. Sie müssen losgehen wie der kleine Mäuserich in der berühmten indianischen Geschichte: Der kleine Mäuserich hörte ein unbekanntes Rauschen im Ohr und fragte seine Mitmäuse, ob sie es auch hörten. Aber die waren alle zu beschäftigt damit Nahrung zu suchen und Angst vor dem nächsten Winter zu haben, sie waren eben in Mäuseangelegenheiten unterwegs.
Der erste Schritt ist immer die Überwindung der eigenen Angst. Der kleine Mäuserich erlebte einige bedrohliche Abenteuer auf seinem Weg, aber er fand heraus, was dieses Rauschen in seinen Ohren war. Einige seiner Abenteuer erschreckten ihn zu Tode, aber er entdeckte auf diese Weise den Fluss, die heiligen Berge und schließlich den See der Transformation. Am Schluss wurde aus dem kleinen Mäuserich ein Adler.
Jeder von uns kann ein Adler werden, wenn er aufhört, den Angstmachern zu glauben, die Sicherheit versprechen in einem Leben das für alle mit dem Tod endet. Wer einen Ruf hört, oder ein Ziehen verspürt, sollte nach innen lauschen und versuchen herauszufinden, wohin er gerufen wird. Wer sich traut, den Dämonen zu begegnen, die im unbekannten Gelände des eigenen Innenlebens unterwegs sind, entdeckt in sich eine neue Welt und einen neuen Sinn.
Der klassische Weg der Sinnsuche ist die Visionssuche. Ob beim Orakel von Delphi, beim Fasten auf einem einsamen Berg oder als Einsiedler in einem undurchdringlichen Wald. Darüber habe ich schon einmal etwas geschrieben und auch das Buch von Steven Foster empfohlen. Wenn Sie gerade keine Zeit haben, um auf Visionssuche zu gehen, können Sie sich ein paar Fragen stellen, die Sie weiter bringen sollten:
(Anleitung: Bearbeiten Sie die Fragen schriftlich und beantworten Sie jede Frage mindestens 20 Mal, besser 50 Mal. Erst wenn die bereits bekannten Gedanken abgearbeitet sind, machen sich die tieferen Schichten des Unbewussten auf den Weg an die Oberfläche.)
- Was habe ich in meinem Leben getan, von dem ich denke, ich hätte es nicht tun sollen?
- Was habe ich in meinem Leben unterlassen zu tun, von dem ich denke ich hätte es tun sollen?
- Was ist es was ich wirklich will?
- Was will ich erreichen oder erleben bevor ich sterbe?
Mit dieser Übung öffnen Sie ihr Bewusstsein für das, was Joseph Campbell »Follow your bliss« nannte. Die ersten beiden Fragen sind eine Art Beichte vor sich selbst. Sie dienen der Befreiung von Schuldgefühlen. Die letzten beiden eröffnen neue Möglichkeiten, zeigen Bilder eines möglichen neuen Lebenszustandes. Wie für den kleinen Mäuserich ist aber die Vision nicht ohne die Dämonen zu haben - arbeiten Sie deshalb zunächst gründlich mit den ersten beiden Fragen. Hier finden Sie den Stoff, der Ihnen am unangenehmsten ist, und der Ihre Kraft und Phantasie genau aus diesem Grunde bindet.
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