Wut und Zorn

Verantwortung für Gefühle übernehmen

Es gibt im Deutschen Redewendungen, die viele Missverständnisse und bisweilen böses Blut erzeugen. " „Das macht mich wütend.” „Du machst mich ärgerlich.” „Du machst mich...

Es gibt im Deutschen Redewendungen, die viele Missverständnisse und bisweilen böses Blut erzeugen. "

  • „Das macht mich wütend.”
  • „Du machst mich ärgerlich.”
  • „Du machst mich traurig.”
  • „Das macht mich betroffen.”
  • ...

Diese Aussagen verschieben Verantwortlichkeit für Gefühle. Tatsächlich hören wir in den ersten Beratungsstunden mit Paaren häufig Beschwerden dieser Art. Kein Wunder, dass der Andere sich angegriffen fühlt, unterstellt die im Passiv formulierte Aussage "Das macht mich..." doch das Vorhandenseins eines Täters. Und dieser Täter kann nur die Partnerin oder der Partner sein.

Sind Sie gerne schuld? Nichts anderes wird hervorgerufen, wenn Sie mit "Das macht mich..." angegriffen werden, als dass Sie die Schuld für die Gefühlslage des Anderen zugewiesen bekommen. Schuld ist ein uraltes Konzept der abendländischen Gesellschaften, bzw. aller Gesellschaften, die einen Monotheismus pflegen, in dem Gehorsam dem jeweiligen Gott gegenüber als höchste Tugend betrachtet wird (oder zumindest wurde). Aus meiner Sicht liegt hier eine der ganz tiefen Wurzeln für unsere Unfähigkeit, Angriffe dieser Art angemessen zu parieren.

Wer Gefühle produziert hat auch die Verantwortung dafür. Für diese Ansicht gibt es ein pragmatisches Argument. Wir haben selbst die Kontrolle über unser Leben und fühlen uns nicht als Opfer. Manchmal dauert es jedoch eine Weile der Untersuchung eigener Gefühle, bis die Erkenntnis reift, dass der Verursacher in mir selbst liegt. Einen kleinen Schritt in diese Richtung kann das folgende Experiment sein.

Wie ich Gefühle produziere

Es dient der Vertiefung des Eindrucks der Übung, wenn Sie das folgende schriftlich untersuchen.

  1. Erinnern Sie sich an die letzte Situation, in der Sie ein unangenehmes Gefühl in Bezug auf Ihre Frau/Ihren Mann hatten (Wut, Ärger, Angst, Trauer, Abscheu,...)
  2. Beschreiben Sie die Situation mit einigen Details.
  3. Überprüfen Sie, was genau passiert ist, als das unangenehme Gefühl entstand.
  4. Analysieren Sie das Gefühl und die Situation genau und stellen Sie fest, was genau Sie in der gegebenen Situation keinesfalls erleben wollten.
  5. Als nächstes probieren Sie den Zeitpunkt zu entdecken, zu dem Sie die Verletzung erstmals wahrgenommen haben und zu dem es noch möglich war, unaufgeregt ihre Grenze zu ziehen.
  6. Beschreiben Sie, was Sie denken, was Ihre Partnerin/Ihr Partner in diesem Zusammenhang von Ihnen noch nicht verstanden hat.

Ein Beispiel

  • „Das letzte Mal war ich ärgerlich auf meine Frau, als sie mir permanent dazwischen geredet hat, als meine Eltern zu Besuch waren.”
  • „Meine Eltern kommen nur selten zu Besuch. Ich hatte mich darauf gefreut, ihnen von unseren Anbauplänen zu erzählen und wie ich mir unser neues Wohnzimmer mit Kamin vorstelle.”
  • „Als meine Frau mich das dritte Mal unterbrach, sobald ich mal Luft geholt habe, habe ich gemerkt, wie mir richtig heiß vor Zorn wurde.”
  • „Ich wollte nicht, dass ich in Gegenwart meiner Eltern als Depp dastehe, der seine Sätze nicht zu Ende bringen kann. Ich wollte auch nicht, dass ich ihr vor meinen Eltern eine Standpauke halten muss. Und drittens wollte ich nicht erleben, wie dieser Zustand von Ohnmacht sich in mir ausbreitet und mich lähmt.”
  • „Im Grunde hat es mir schon beim ersten Mal nicht gepasst. Ich kenne das ja schon von ihr. So macht sie es immer. Das regt mich jedesmal auf. Ich glaube ich gehe schon mit so einer Grundanspannung in Familientreffen hinein, weil sie immer meint besser darstellen zu können, was ich fühle.”
  • „Was sie von mir noch nicht verstanden hat? Schwierig. Naja, vielleicht, dass ich Zeit brauche, meine Gedanken zu entwickeln. Und dass ich besser denken kann, wenn sie dann schweigt. Und dass ich keine Hilfe von ihr will, meine Gedanken zu formulieren – im Gegenteil, es führt dazu, dass ich sie nicht mehr in meine Gedanken und Gefühle einweihe, mich innerlich von ihr distanziere.”

Üben Sie auf diese Weise, die Verantwortung für Ihr eigenes Gefühlsleben besser wahrzunehmen. Führen Sie die Übung beispielsweise eine Woche lang jeden Tag einmal durch. Der Drang, jemand anderen für Ihre Gefühle verantwortlich zu machen, wird allmählich nachlassen.

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