Macht das Leben noch Sinn?

Nochmal ganz von vorne anfangen

“Ich würde gerne noch einmal ganz von vorn anfangen” - diesen Satz höre ich häufiger. Von wem? Eigentlich nur von Männern, die schon einmal das ganz normale Programm von Karriere,...

“Ich würde gerne noch einmal ganz von vorn anfangen” - diesen Satz höre ich häufiger. Von wem? Eigentlich nur von Männern, die schon einmal das ganz normale Programm von Karriere, Familie und Besitz durchlaufen haben.

Aus diesem Satz spricht eine Menge Frust. Mit Anfang oder Mitte 40 wird einem die Endlichkeit des Lebens bewusster und es tauchen Fragen auf. Fragen wie: Soll das alles gewesen sein? Möchte ich in diesem Zustand die nächsten 20 Jahre verbringen? Was gibt es noch? Und nicht selten mischt sich auch ganz leise die Frage darunter: Macht es eigentlich noch Sinn?

Es ist Zeit die Führung für sich selbst zu übernehmen. Als Heranwachsender merken wir nicht, wie stark uns unser Umfeld und die gesellschaftlichen Bedingungen einen bestimmten Lebensweg vorgeben. Wir glauben alles selbst zu bestimmen und haben große Pläne. Als junger Erwachsener merken wir noch nicht, dass der Wunsch nach Erfolg im Beruf, der Wunsch nach Paarbeziehung und Familie zu einem großen Teil nur das Erfüllen vorgegebener Denkschablonen ist.

So finden wir uns einige Jahrzehnte später in einer Situation wieder, in der die Arbeit nicht mehr inspiriert, die Partnerin mehr nervt als beglückt, die Ansprüche der Kinder immer schwerer einzudämmen sind. Und selbst stolpern wir ungerichtet voran; jeder neue Tag ist noch mehr von dem, was mir nicht gefällt.

Wo sind die Träume geblieben? Als Kinder waren wir voller Erwartungen an das Leben und konnten uns ohne Schwierigkeiten in faszinierende Aufgaben und abenteuerliche Zukunftsvisionen hineindenken. Dann kam die Disziplinierung durch Schule, Studium und Karriere, später die Verantwortung für Familie, Haus und Hof. Die Ideen für eine bessere Welt blieben auf der Strecke und die Hoffnung, eines Tages einen wertvollen Beitrag zur Menschheitsgeschichte geleistet zu haben, wurde begraben.

Das Standardlebensmodell beginnt spätestens dann Risse zu bekommen, wenn die Kinder weniger Aufmerksamkeit brauchen und die Entfremdung zwischen den Partnern offensichtlich wird. Man erkennt dann die Schizophrenie zwischen der Idee, die ganze Arbeit für die Familie getan zu haben, und der Tatsache, dass der Kontakt zu den angeblich wichtigsten Menschen im eigenen Leben nicht funktioniert.

Der Wunsch noch einmal von vorn anzufangen, enthält nicht selten die Idee einer neuen Familiengründung. Ich möchte aber in Frage stellen, dass die Gründung einer neuen Familie die Leere im Herzen wirklich erfüllen kann. Sie füllt möglicherweise die Lücke, die ensteht, wenn man die alte Familie verlässt. Doch wieviele gebrochene Herzen kann man der neuen Beziehung, der neuen Familie zumuten. Vielleicht steht zunächst an, in sich selbst zuhause zu sein, bevor man sich ein neues Heim bastelt.

Ich schlage vor, die Suche zu erweitern. Nehmen wir einmal an, dass die Erfüllung nicht an eine Frau gebunden ist, und das Gefühl nützlich zu sein, nicht an eigene Kinder. Nehmen wir an, Sie wollen einen großen Schritt vorwärts machen. Woher nehmen Sie die Inspiration, die Richtung, die Kraft und die Ausdauer für ein Leben, das es sich lohnt zu führen?

Vorsicht! Es könnte Folgen haben. Folgen wie diese zum Beispiel:

Ich mache keine Arbeit, die mir nicht sinnvoll erscheint. Gegenseitiger Respekt ist die Grundlage aller meiner Beziehungen. Das Leben ist kurz. Deshalb ist es wichtiger zu erleben als zu haben.

Um einen Geschmack davon zu bekommen schlage ich folgende Selbsterforschung vor:

  1. Erkennen Sie die Tatsache an, dass das Leben endlich ist und Sie nicht wissen, wann Ihr letzter Tag sein wird.
  2. Erkennen Sie die Tatsache an, dass Sie ein schlechtes Gewissen und Vorwürfe gegen andere mit sich herumtragen. Das macht es schwer oder unmöglich frei für einen Neuanfang zu sein.
  3. Erleichtern Sie Ihren Geist vollständig von Selbstzweifeln und Vorwürfen.
  4. Nehmen Sie für sich selbst in Anspruch (was erst nach dieser Bereinigung geht), vollkommen frei, unabhängig und schuldlos zu sein.
  5. Erkennen Sie die Ängste an, die auftauchen, wenn Sie dazu ansetzen sich völlige Freiheit zuzugestehen.
  6. Erarbeiten Sie ein Arrangement mit Ihrem Ego, unter welchen Minimalanforderungen Sie frei agieren dürfen.
  7. Bleiben solange in dem Raum von Freiheit, Unabhängigkeit und Schuldlosigkeit, bis ein tiefes Gefühl auftaucht, was Ihre Bestimmung, Ausrichtung, Ihren Lebenssinn darstellt.

Eine ausführliche Fassung dieser Vorgehensweise als gekürzten Audio-Mitschnitt eines Seminars erhalten Sie hier [MP3 - ca. 90 Minuten].

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